Mien Mönsterland, die Ausgangslage…

 

 

Lieber Leser,

 

 

 

ich wünsche ja, dass diesen Blog nicht nur meine Familie liest, sondern auch Leser aus weiter entfernteren Landschaften. Ich habe mir also vorgenommen, Euch mal den Lebensraum der Familie Könemann vorzustellen. Ich hoffe, dass mein Lokalpatriotismus nicht allzu sehr überhandnimmt und dass Ihr Einblick erhaltet in die Gedankenwelt eines Münsterländer Bauern und warum der manchmal so gereizt reagiert.

 

Unser Betrieb liegt im Südkreis Coesfeld, in Lüdinghausen, geologisch einem Teil der westfälischen Bucht. Er liegt ca. 30 km von Münster, dem Zentrum der Region, sowohl wirtschaftlich und kulturell, als Sitz der Regierungspräsidentin auch politisch. Die Region ist zu ganz überwiegendem Teil katholisch geprägt, als Bischofssitz und ehemaligem Fürstbistum, dessen repräsentative Bauten das Stadtbild immer noch bestimmen.

 

Wikipedia behauptet:

 

Das Regionalbewusstsein der Bevölkerung ist stark ausgeprägt und orientiert sich dabei gesellschaftlich eher an den abweichenden historischen Grenzen. Verbindend wirken neben der langen gemeinsamen Geschichte vor allem das vorherrschende katholische Bekenntnis und die niederdeutsche Sprache in den Formen des Münsterländer Platts und des Westmünsterländer Sandplatts.“ (Seite „Münsterland“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie)

 

Begrenzt im Süden von der Lippe, im Westen von den Niederlanden, im Nordosten vom Teutoburger Wald, ist Landschaft und Landwirtschaft relativ kleinteilig und wird geprägt von kleinen eingesprengten Feldgehölzen und Hecken, die die sogenannte Münsterländer Parklandschaft bilden. Touristisch auch wegen der fehlenden Höhenzüge eine beliebte Radfahrregion, nach Auskunft unserer Touristiker in permanentem Aufschwung, naja. Auf jeden Fall kann ich einen Besuch, auch ohne Fahrrad, nur empfehlen.

 

Im ehemaligen Bistum Münster, dazu gehören auch Teile Niedersachsens, wie das Oldenburger Münsterland, ist ein landwirtschaftlich gesehen sehr homogener Wirtschaftsraum entstanden, in dem der größte Teil der deutschen Veredelung stattfindet. Gleichzeitig konzentriert sich hier, 10km links und rechts der Autobahn A1, auch die Tierhaltungstechnik anbietende Industrie, mit Weltmarktführern in der Schweine- und Geflügelhaltung ebenso Hidden Champions in der Landtechnik, und einige der größten deutschen Schlachtunternehmen, Molkereien, Zuchtunternehmen und Warengenossenschaften. Besonders der vor- und nachgelagerte Bereich der Landwirtschaft und viele innovative Mittelständler führen dazu, dass im Münsterland eine Arbeitslosigkeit wie in den vielgerühmten süddeutschen Boom Zentren herrscht.

 

Diese Entwicklung war nur folgerichtig, denn der Westen und der Norden der Region verfügen über ausgeprägte Sandböden , die zusammen mit den ursprünglich geringen Betriebsgrößen einen reinen Ackerbau verbieten, wie er in der angrenzenden Soester Börde oder in der Köln-Aachener Bucht möglich ist. Daher der Zwang zur Veredlung, das heißt zur Umwandlung der Feldfrüchte über den Tiermagen zu höherwertigeren Produkten, Fleisch, Milch, Eier, aber auch Zuchtvieh und Pferden.

 

Das direkt angrenzende größte Verbrauchszentrum Europas, das Ruhrgebiet, hat einen ständigen Nachfragesog ausgewirkt, direkter Absatz an handwerkliche Lebensmittelbetriebe, die schon sprichwörtliche Eiertouren „ins Industriegebiet“, ließen die Betriebsgröße in den 70er,80er Jahren als bestimmenden Erfolgsfaktor zurücktreten. Veredelung wurde flächenunabhängig, die Futterversorgung über Zukauf gesichert, Gülle und Festmist waren gefragte Güter, um die mageren Böden zu verbessern. Die Tierärzte und Vermarkter spezialisierten sich, Technik hielt massiv Einzug, so dass auch Bestandsgrößen, die vorher unbekannt waren, beherrschbar wurden.

 

Im Prinzip war diese Entwicklung extrem vorteilhaft und auch politisch gewollt. Das verfügbare Einkommen der Verbraucher musste nicht mehr zum großen Teil in die Ernährung gesteckt werden, so dass Touristik, Mobilität, Wohnkomfort, Elektronik und Kultur massenverfügbar wurden. Wer sollte dagegen etwas einwenden! Ebenso wurde erreicht, dass die Landwirtschaft, wie im Landwirtschaftsgesetz gefordert, wenn nicht Schritt halten, so doch wenigstens Anschluss an die Einkommensentwicklung der Gesamtbevölkerung halten konnte.

 

Nach kurzer Zeit wurde unsere Region aber zur Geisel des eigenen Erfolgs. Nicht nur, dass Ressourcenverbrauch, Emissionen, allgemein die Belastung unseres Umfeldes wuchsen, in der Produktion waren wir auch zu erfolgreich. So unerschöpflich war der Markt der Region nun doch wieder nicht!

 

Kurzfristige Lösung war der Export unserer Produkte. Eine immer effizientere Schlachtindustrie verdrängte die handwerkliche Produktion und verlangte sichere Rohstoffversorgung. Zu Hilfe kam ihr dabei die Expansion der Discounter, die die Anforderungen an Produktqualität und Liefersicherheit auch mit ins Ausland nahmen. Asienexporte z.B. verlangen die Erfüllung hoher veterinärrechtlicher Anforderungen, die ein kleinerer Betrieb nicht erfüllen kann. So können, durch geschickte Zerlegung, die spezifischen Bedürfnisse einzelner Märkte befriedigt werden. Schweinepfötchen; Rüsselscheiben, Ohren, die in Deutschland nicht abzusetzen waren, sind in China begehrte Delikatessen, so dass die Wertschöpfung insgesamt steigt. Ähnliches gilt für Milchprodukte.

 

Nachdem die Offizialberatung (die Landwirtschaftskammer) zu Anfang des Jahrtausends dieser Entwicklung folgte und die sogenannte „Veredelungsoffensive Nordwest“ lostrat, beschleunigte sich der Boom in Stall Bau und Wachstum noch.

 

Soweit zur Ausgangslage, die die derzeitige öffentliche Diskussion provozierte.

 

Die Gegenreaktion im Markt und in der Öffentlichkeit ließ nicht lange auf sich warten.

 

Mit dieser Reaktion, mit Ratlosigkeit, Missverständnissen, Unverständnis, beleidigt sein möchte ich mich in dem, vielleicht sogar den nächsten Blog(s) beschäftigen.

 

 

 

Guad Goan,

 

Christoph

 

 

 

 

 

 

 

Wikipedia
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